VSVI / Bericht zur Fachexkursion nach Groningen

von admin

Op naar Groningen!

Friesenbrücke, Meyer Werft und Emssperrwerk

Unsere diesjährige große Fachexkursion führte uns mal wieder zu den Nachbarn in den Niederlanden. Vor einiger Zeit hatten wir mit Amsterdam und Utrecht schon ersten Kontakt aufgenommen und waren begeistert von den spannenden Projekten, die wir in den Niederlanden besichtigen konnten. Und genauso sollte es mit einer Priese deutscher Themen auf der Hin- und Rückfahrt auch in diesem Jahr wieder werden.

Aber der Reihe nach: Am 25. April 2024 hat sich eine etwa 20-köpfige Reisegruppe zusammengefunden, wieder ein toller Mix aus jung und alt, studentisch und berufstätig. Unser erstes Ziel war die Friesenbrücke in Weener. Hier ging erst einmal darum, die Friesenbrücke richtig einzuordnen. Sie ist Gegenstand der Wunderlinie, einer 173 km langen Bahnstrecke zwischen Groningen und Bremen. Sie verbindet zwei Länder, die Metropolregionen Nordwest und Groningen-Assen sowie zahlreiche Städte und Gemeinden auf ihrem Weg. Ein wesentlicher Teil der Wunderlinie ist der Neubau der Friesenbrücke. Die bestehende Brücke wurde im Jahr 2015 von einem Frachtschiff zerstört. Seitdem müssen Reisende zwischen Leer und Weener Busse des Ersatzverkehrs nutzen. Durch den Neubau der Brücke können Züge von Leer aus wieder grenzüberschreitend verkehren. Auch der Fuß- und Radverkehr wird die Brücke über die Ems nutzen können. Die neue Hub – Dreh - Brücke ermöglicht es auch großen Schiffen sicher durch die geöffnete Friesenbrücke zu navigieren. Die Öffnung dauert nur wenige Minuten.

Dieses länderverbindende Projekt begeisterte mal wieder durch den VSVI-typischen Einblick in wirkliche Details. Im Rahmen einer Baustellenführung wurde das Projekt von dem Gesamtprojektleiter der DB vorgestellt und eine Führung über die Baustelle vorgenommen. Ein gigantisches Projekt, bei dem bereits 14.000 m³ Beton und 3.000 Tonnen Stahl verbaut wurden. 200 Gewerbliche, Bauleiter und Büroangestellte betreiben hier eine gigantische Baustelle bei der es sich um Europas größte und weltweit die zweitgrößte Drehbrücke handelt. 2.400 Tonnen sind zu bewegen. Es werden täglich fünf Öffnungen erwartet. Hier haben wir uns das erste Mal die Schuhe richtig schmutzig gemacht, Baustellenluft geschnuppert und in die Baugrube geschaut in der das Fundament und die Tragkonstruktion entstehen, die später verantwortlich für einen reibungslosen Betrieb sein werden.

Weiter ging es dann nach Groningen. Den Meisten bekannt, aber vielleicht nicht so: Die Stadtführungen setzen Schwerpunkte in unserem Tätigkeitsbereich. Fahrradparkhäuser, rote Teppiche zur Vermeidung von Fahrradabstellungen, Informationen über die Gepflogenheiten über das Helmtragen oder auch -nichttragen in den Niederlanden. Ein Volltreffer war der Informationsreichtum der uns viel Input zum Umgang mit Mobilität, laufendem, fahrendem und ruhendem Verkehr gegeben hat.

Und wie so oft müssen neue Mobilitätskonzepte auch besonders beschildert werden. Zonenhinweise für die Abstellung von Fahrrädern, die täglichen Unterhaltungserfordernisse hinsichtlich falsch parkender Fahrräder und die Mentalität der Groninger soweit sie als Radfahrer und Fußgänger unterwegs sind, wurden uns nahe gebracht.

Und natürlich darf auch die Universität als architektonisch bemerkenswertes Ensemble, aber auch zentrales Element des städtischen Lebens nicht fehlen. Bei 230.000 Einwohnern in der Region Groningen lassen sich 70.000 Studierende zählen. Ein bemerkenswerter Schnitt, der im städtischen Leben sofort wahrnehmbar war.

Die Besichtigung endete am FORUM, ein besonderes Gebäude, ein Neubau mitten in der Altstadt, aber ganz anders als die Bestandsarchitektur. Modern, herausragend, besonders. Von innen und außen. Treffpunkt für Groninger und Touristen, Bibliothek, Kinos und Restaurants sind hier Orte, an denen Beziehungen entstehen und gepflegt werden sollen. Offen, hell und wirklich besichtigenswert. Ein toller Ort, Groningen auch bei Regen kennenzulernen, oder so wie wir es getan haben, den Tag bei einem guten Abendessen ausklingen zu lassen.

Am nächsten Morgen ging es dann weiter zur Meyer Werft. Nach einer Bustour, die uns auf dem Außengelände schon die gigantischen Dimensionen der größten Schiffsbauhalle der Welt zeigte, wurden uns eine Vielzahl an Informationen präsentiert. 45 ha beheimaten ein Laserzentrum, Trainingsgelände, Schiffssegmente, Schwertlasttransportfahrzeuge, alles was das Herz begehrt. Baudocks in Dimensionen von 370 x 40 m und 504 x 45 m. Alles gigantisch und in größter Dimension.

Im Zuge der Führungen durch das Besucherzentrum wurden uns die Prozessschritte von der ersten Idee bis zur Vollendung eines schwimmenden Elementes nahegebracht. Schwimmendes Element? Ja, die Meyer Werft produziert nicht nur die überall bekannten Kreuzfahrtschiffe, sondern auch Fähren, Gastanker, RoRo- und Forschungsschiffe. Hier ist man flexibel und auf die Anforderungen der Kunden ausgerichtet.

Bereits 1795 wurde die Meyer Werft gegründet, hat viele Entwicklungsschritte vollzogen. Aktuell beheimatet die Meyer Werft etwa 3.500 Mitarbeitende. In den jüngeren Tagen war von wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu hören. Wir drücken die Daumen, dass dieser besondere Ort industrieller Fertigung auch in Zukunft sich weiter positiv entwickelt. Einige strukturelle Aspekte sind für die Region besonders wichtig: die Meyer Werft zieht jedes Jahr etwa 250.000 Besucher an. 15.000 Mitarbeitende bei Lieferanten und 2.000 Lieferanten im Umfeld mit einer Ausstrahlung bis nach Bremen und darüber hinaus, sind wichtig für das Funktionieren auf der Werft. Und wenn mal die Höhe der Hallen nicht ausreicht, wird die Endmontage der Schiffe außerhalb der Hallen ausgeführt. Hierzu kann zum Beispiel der letzte Abschnitt einer gigantischen Rutsche oder einer Achterbahn gehören. Trotz der Größe der Hallen ist manches Mal der freie Himmel die Begrenzung der Montage.

Und dann schließt sich ein Kreis: es bestehen besondere Herausforderungen für die auf der Meyer Werft produzierten Schiffe. Sie müssen über die Ems ihren Weg auf das offene Meer finden. Und wen kreuzen sie dabei? Einen alten Bekannten: die Friesenbrücke und das Emssperrwerk, nächster Programmpunkt der Fachexkursion der VSVI!

Am Emssperrwerk wurden wir begrüßt von einer Dame, die sich in den vergangenen Jahren zur Besucherinformation in unser Thema des Bauingenieurwesens eingearbeitet hat. Zwar fehlte ihr die akademische Qualifikation, aber ihr Verständnis für die Themen, die für uns Bauingenieure relevant sind, war bemerkenswert. Mit viel Leidenschaft wurde die Historie der Hochwasserschutzbelange in der Region dargestellt. Mit zunehmender Besiedlung des Bereiches um die Emsmündung wurde es immer wichtiger, auch den Hochwasserschutz zu gewährleisten. Entweder die Deiche der Ems ertüchtigen oder das Nordseewasser in den Griff bekommen. Man beschloss 1995 die Planung des Emssperrwerks im Mündungsbereich. Der erste Rammschlag wurde 1998 ausgeführt und nach

kurzer Bauzeit die Fertigstellung 2002 vermeldet. Das Sperrwerk besteht aus einer Vielzahl an Einzelelementen, die die regelmäßige Durchfahrt aber auch Havariedurchfahrten ermöglichen. Darüber hinaus wurde die Vermeidung von Verschlickung und die Renaturierung der Ems thematisiert. Dies sind Themen, die ohne das Sperrwerk nicht möglich gewesen wären.

Auch hier wurde die Dimension der Meyer Werft noch einmal gezeigt. Die Durchfahrt durch das Emssperrwerk unterliegt klaren Rahmenbedingungen, kurze Zeitslots werden zur Verfügung gestellt. Wie beim Bau des Sperrwerkes muss auch für den Betrieb eine minutiöse Planung erfolgen und exakt umgesetzt werden. Ein spektakuläres Bauwerk, ähnlich wie die Friesenbrücke gar nicht in der täglichen Wahrnehmung der Öffentlichkeit. Es handelt sich aber um tolle Ingenieurbauwerke, die einen Besuch wert sind.

Nach einem abschließenden Abendessen auf der Rückfahrt nach Bremen wurde die Fachexkursion pünktlich beendet und die Teilnehmenden gingen mit einer Vielzahl an Impressionen nach Hause. Neben den intensiven fachlichen Eindrücken, die jeder mitnehmen konnte, blieben auch die Gespräche auf der Fahrt zwischen jung und alt, studentisch oder berufstätig oder aus der mittlerweile abgeschlossenen Berufstätigkeit. Eine tolle Tour, herzlichen Dank an die Organisatoren Marion Finke und Lars Keller. Und die Mitglieder der VSVI Bremen können sich jetzt schon auf die nächste große Fachexkursion freuen.

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